Haiku-Fotografie
Marianne Meschendörfer hat an einem Workshop bei Martin Timm zu Haiku-Fotografie teilgenommen und berichtet von ihren Erfahrungen........
Eine neue Art der Naturfotografie kennenzulernen, war meine Motivation, den Kurs von Martin Timm am Benediktushof zu besuchen. Diese Art der Fotografie will nicht die Schönheit eines zentralen Motivs zeigen, sondern den Raum um das Motiv sowie Vergänglichkeit als Fluss des Lebens zeigen, in einem flüchtigen Moment eingefangen.Interesse an klassischer, japanischer Geisteshaltung und Ästhetik war angesagt, denn wir beschäftigten uns nicht nur mit der Gedichtform „Haiku“, sondern auch mit dem Wabi Sabi Konzept. Es ist das Verdienst Martin Timms, dieses Wabi Sabi Konzept auf die Fotografie übertragen zu haben.Ein Haiku beschreibt einen flüchtigen Moment, der zeigt wie sich das Große Ganze im Moment verändert und nicht eine grundsätzliche Wahrheit. Das gleiche Ziel hat ein Haiku-Foto.Wabi-Sabi ist eine Form der japanischen Ästhetik, aus dem 16. Jahrhundert und bezeichnet eine Art von Schönheit, die sich durch Schlichthei (Reduktion), Vergänglichkeit, Naturverbundenheit und Unvollkommenheit auszeichnet. Es ist eine Geisteshaltung, wie: Nichts bleibt , wie es ist, nichts wird jemals fertig, nichts ist vollkommen, alles hat einen Makel.Umsetzung in der Fotografie:1. Wabi = RaumWir fotografieren nicht Objekte, sondern den Raum der sie umgibt, sozusagen die Schönheit des Raumes. Objekte sind nur Komplizen, um den Raum zu zeigen.Tipps: - Reduktion, Sparsamkeit bis Askese, übrig bleibt die Essenz des Raumes- Objekte stehen eher am Rand, damit der Raum sichtbar ist.- Hintergrund ruhig haltenEinstellung der Kamera: geringste Schärfentiefe durch kleinen Abstand, größte Blende, kleine ISO-Werte und größte Lichtstärke.Erwünschte Effekte sind: Verwischen, Doppelkonturen, Überbelichtung.Es gibt auch „Weiße Haikufotos“ die extrem überbelichtet sind.Um eine möglichst lange Zeit zu haben, kann ein ND Filter verwendet werden.In der Praxis: AF aus, selektive Schärfe, geringste Entfernung, größte Blende: „Dann bewege ich mich mit der Kamera durchs Gewusel (z.B. der Grashalme) und drücke ab, wenn ich Raum und Zeit spüre. Dann Pause machen.“2. Sabi = ZeitEin Kunstwerk ist schön, wenn es den Fluss der Zeit sichtbar macht, also Sabi ausstrahlt.Lebendigkeit ist immer instabil, veränderlich, vergänglich. Die Patina zeigt, dass etwas Geschichte hat. Beliebt sind Motive, die die Spuren des Wandels verdeutlichen. z.B. Jahres-zeiten, aber auch ein augenblickliches Ereignis, wie: Frosch springt in den Teich. Tipps für Haiku-Fotografen:- Ich suche kein Motiv, ich lasse mich davon ansprechen- Ich tue es jetzt sofort, im Vertrauen, dass jedes Foto gut ist- Nicht viele, sondern wenige Fotos machen, und möglichst wenig bearbeiten- Fotografiere ohne Mühe, ohne Anstrengung. WuWei des Lao Tse: Absichtslosigkeit- Kümmere dich nicht um Komposition. Regeln sind nur ein Gerüst, ein Einstieg- Synchron mit dem Atem. (im Ausatmen)- Nur mit Empathie fotografierenMöglicher Einwand: Ist es nur beliebig ohne Regeln zu Fotografieren?„Nein, wenn ich mich ergreifen lasse“ Weitere Informationen zum Thema im Buch „Haiku-Fotografieren“ von Martin TimmISBN: 978-3945565018